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Kapitel 4

Was die Kamera zeigt

Die Biegung eines Flusses umschließt in einem weiten Bogen das Zentrum

der Kleinstadt. Erst die Aufnahme von der Aussichtsplattform eines Kirch-

oder Fernsehturms lässt den Zuschauer erkennen, welcher Gefahr die histo­

rische Altstadt bei Hochwasser ausgesetzt ist.

Spektakuläre Luftaufnahmen waren in der Vergangenheit Produktionen mit

kostspieligem Equipment vorbehalten. Heute lohnt es, nach einem Drohnen­

flieger Ausschau zu halten und logistische Unterstützung zu erbitten. Top-

Shot-Aufnahmen wirken spektakulär und können beim Zuschauer durchaus

einen emotionalen Höhen­flug auslösen.

Für die Top-Shot-Aufnahme eines sich auf der Wiese rekelnden Hundes

reicht es dagegen, wenn der Kameramann samt Handycam auf eine mittel­

große Gartenleiter steigt. Top Shots entsprechen keiner natürlichen Blickpo­

sition. Sie wirken technisch unterstützt und sehr objektiv.

Untersicht

Soll dagegen das mit munteren Fischen gefüllte Aquarium die Sicht eines

Kindes verdeutlichen, ist eine (leichte) Untersicht unabdingbar.

Wesentliche Größenunterschiede, wie ein Mensch vor großen Gebäuden

oder technischen Objekten, macht die Verwendung der Untersicht erkenn­

bar. Je nach inhaltlichem Kontext unterscheidet sich die emotionale Wirkung

solcher Größenunterschiede.

Ein Mensch steht vor einer geschlossenen Tür. Sein nach oben schweifender

Blick über viele Etagen eines Hochhauses hinterlässt beim Zuschauer ein

beklemmendes Gefühl.

Ganz anders die Untersicht in den Bergen. Für den Wanderer ist der anstei­

gende Weg eine sportliche Herausforderung. Mit Rucksack, Schlafmatte und

Zelt auf dem Rücken fühlt er sich in den Bergen wohl. Der Blick nach rechts

und links zu den umgebenden Berggipfeln vermittelt den Zuschauern das

Gefühl, Zeuge eines traumhaften Naturerlebnisses zu sein.

Den Bau eines Floßes aus einfachen Materialien und ohne Werkzeug hat die

Gruppe junger Leute erfolgreich abgeschlossen. Nun soll sich zeigen, ob das

Ergebnis ihrer gemeinsamen Anstrengungen auch die Bewährungsprobe auf

dem Wasser besteht. Wenn alles klappt, wird das Floß die sieben Erbauer si­

cher auf dem Wasser tragen. Die Zuschauer sehen – aus der Untersicht – den

Transport in Richtung Ostsee.